1890
Mikhail Lermontov (1814-1841)
An den Toren des heiligen Klosters
Stand ein Bettler, der um Almosen bat,
Hilflos, bleich und mager
Von Hunger, Durst und Leiden.
Er bat nur um ein Stück Brot,
Und sein Blick zeigte lebendige Qual,
Und jemand legte einen Stein
In seine ausgestreckte Hand.
So bat ich um deine Liebe
Mit bitteren Tränen, mit Sehnsucht;
So wurden meine tiefsten Gefühle
Für immer von dir betrogen!
Op. 04 Nr. 01 (1890-3)
Dmitry Merezhkovsky (1865-1941)
Oh nein, ich fleh’, geh nicht von mir!
Aller Schmerz ist nichts im Vergleich zur Trennung,
Ich bin zu glücklich In diesem Leid,
Drück mich fester an deine Brust, Sag: „Ich liebe dich.“
Ich komme zurück, Krank, gequält und blass.
Schau, wie schwach ich bin, wie arm,
Wie sehr ich deine Liebe brauche…
Neue Qualen, die mich erwarten,
Ersehne ich wie eine Zärtlichkeit, wie einen Kuss,
Und mit einer Sehnsucht flehe ich:
Oh, bleib bei mir, geh nicht fort!
Oh, bleib bei mir, geh nicht fort!
Oh nein,ich fleh’, geh nicht von mir!
Op. 04 Nr. 03 (1890-3)
Afanasy Fet (1820-1892)
Oh, lange werde ich im Schweigen der geheimnisvollen Nacht
Dein verführerisches Flüstern, dein Lächeln, deinen flüchtigen Blick,
Die deinen Fingern gehorsame Locke, die dichte Strähne deines Haars
all das aus meinen Gedanken verbannen – um es dann wieder hervorzurufen;
werde flüstern und die einstigen Worte berichtigen, meine Worte zu dir, die voller Verwirrung gesprochen.
Und im Rausch, dem Verstand zum Trotz, mit deinem geliebten Namen die Dunkelheit der Nacht wecken.
Oh, lange werde ich im Schweigen der geheimnisvollen Nacht mit deinem geliebten Namen die Dunkelheit der Nacht wecken.
Op. 04 Nr. 02 (1890-3)
M. L. Yanov
„Ich liebe dich!“
Aurora sprach es leis zum Tag,
errötend ob der Offenbarung, umarmte sie den Himmel,
und ein Sonnenstrahl, der die Natur erhellte,
sandte Aurora lächelnd heiße Küsse.
och der Tag, noch nicht ganz glaubend,
dass sein geheimster Traum sich wird erfüllen,
stieg auf die Welt herab mit einem Lächeln,
und wischte ab ringsum
die glitzernd diamanten Tränen, Reih’ um Reih’.
Op. 08 Nr. 05 (1893)
Aleksey Pleshcheyev (1825-1893), nach Heinrich Heine (1797-1856), "Ich hatte einst ein schönes Vaterland"
Und ich hatte ein Heimatland;
Es ist wunderbar!
Da schwankte die Fichte über mir ...
Aber es war ein Traum!
Die Familie der Freunde lebte.
Von allen Seiten klangen Worte der Liebe für mich ...
Aber es war ein Traum!
Ein Inselchen blickt aus dem Meer heraus, seine grünen Hänge
Mit einem dicken Kräuterkranz geschmückt, Veilchen, Anemonen.
Darüber sind die Zweige ineinander verschlungen,
Die Wellen plätschern leicht um es herum.
Die Bäume sind traurig wie Träume
Wie Statuen, still.
Hier weht kaum eine Brise,
Kein Unwetter erreicht es hier
Das sorgenfreie Inselchen,
döst vor sich hin, schläft ein.
Op. 26 Nr. 12 (1906)
Ivan Bunin (1870-1953)
Die Nacht ist sorgenschwer, wie meine Träume ...
Fern in der tiefen, weiten Steppe
Glüht ein vereinzelt Licht ...
In meinem Herzen herrschen Traurigkeit und Liebe.
Doch wem und wie soll man erklären,
Was da verlockt, erfüllt das eigne Herz?
Der Weg ist lang, die stille Steppe fern,
Die Nacht ist sorgenschwer, wie meine Träume ...
Op. 26 Nr. 15 (1906)
Daniil Rathaus (1868-1937)
Alles vergeht, und es gibt kein Zurück.
Das Leben eilt dahin, schneller als der Augenblick.
Wo sind die Worte, die einst zu uns sprachen?
Wo ist das Licht der Morgenröte vergangener Tage?
Die Blume erblüht, doch morgen wird sie welken.
Ein Feuer lodert, nur um bald zu verlöschen...
Eine Welle rollt, und die nächste folgt ihr...
Ich kann keine fröhlichen Lieder mehr singen!
Op. 04 Nr. 04 (1890-3)
Aleksandr Pushkin (1799-1837)
Singe nicht, schöne Frau, für mich
Die Lieder des traurigen Georgiens;
Sie erinnern mich an ein anderes Leben
Und an ein fernes Ufer.
Leider erinnern mich
Deine grausamen Melodien
An die Steppe, die Nacht und im Mondlicht
Die Züge eines fernen, armen Mädchens!
Den süßen, schicksalhaften Geist
Vergesse ich, wenn ich dich sehe;
Doch du singst, und vor mir
Taucht wieder seine Gestalt auf.
Singe nicht, schöne Frau, für mich
Die Lieder des traurigen Georgiens;
Sie erinnern mich an ein anderes Leben
Und an ein fernes Ufer.
Op. 26 Nr. 02 (1906)
Fyodor Tyutchev (1803-1873)
Alles hat mir genommen
Der strafende Gott –
Gesundheit, Kraft, Willen, Luft und Schlaf.
Nur dich ließ Er bei mir zurück,
Damit ich noch zu Ihm beten kann.
© Die deutsche Fassung der Liedtexte, bei der die wörtliche Nähe zum russischen Originaltext im Vordergrund stehen soll und damit häufig auf eine geschliffene Reimform verzichtet, hat Konstantin Gorny erstellt.
Die sprachliche Bearbeitung und stilistische Feinabstimmung wurden von Wolfgang Wiechert vorgenommen.
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